Beton im Wald
Das ehemalige Ostarbeiterlager der Firma Kurt Herberts – was ist übrig geblieben?
Um die eben gestellte Frage direkt zu beantworten: nicht Viel! Aber während anderorts alles, was mit dem Zweiten Weltkrieg zu tun hatte, abgerissen, beseitigt oder so kaschiert wird, dass nichts mehr zu sehen ist, befindet sich dieses hier vorgestellte Lager (fast) noch in seinem End-Zustand von 1943. Obwohl ich die Gegend eigentlich ganz gut kenne, entdeckte ich die Reste des Ostarbeiterlagers eher zufällig. Ich war mal wieder im Wald unterwegs und untersuchte einige alte Tagebaue als ich eine weitere vermeintliche Halde sah und darauf zu steuerte. Die "Halde" entpuppte sich allerdings als Aufschüttung, um am Berghang eine ebene Fläche zu erhalten. Auf der Fläche befanden sich einige alte Fundamente und jede Menge Trümmer. Dachte ich im ersten Moment noch an alte Bergwerksgebäude, welche hier mal standen, manifestierte sich dann doch nach ein paar Erkundungs-Minuten der Gedanke, dass hier doch eher etwas militärisches gestanden haben musste. Mein dritter Gedanke tendierte dann in Richtung Flakstellung oder Horchstellung, zumal hier einfach zu viel "gesprengter" Beton im Wald war. Wie dem auch sei, nachdem ich ein paar Fotos gemacht habe, bin ich erstmal zurück nach Hause gegangen und habe später, als ich endlich mal etwas Zeit hatte, meine Akten durchsucht um Informationen über meinen Fund zu erhalten. Viel Aufschlussreiches habe ich leider nicht gefunden. Also musste das Hauptstaatsarchiv in Düsseldorf mal wieder besucht werden, Dieses hat auch wunderbar geklappt, denn nun weiß ich, was ich denn da im Wuppertaler Wald gefunden habe. Es handelt sich dabei um die Überreste des ehemaligen Arbeitslagers der Firma Kurt Herberts, einem kriegswichtigen Unternehmen aus Wuppertal. Diese Firma hatte ausnahmsweise mal keine eigene Untertage-Verlagerung, aber ich finde, dass die ganze Thematik trotzdem gut auf diese Seite passt, zumal die Firma Kurt Herberts auch in dem Jägerprogramm involviert war. Desweiteren war es ja so, dass sehr viele kriegswichtige Firmen auf Zwangsarbeiter zurück greifen mussten, um den Betrieb weiter am Laufen zu halten. Deshalb wurden eigens dafür Unterkünfte, die sogenannten Arbeitslager, für die Zwangsarbeiter und Fremdarbeiter, meistens in Nähe der Firma, errichtet. Allein in Wuppertal gab es über 400 solcher Arbeitslager.
Die vermeintliche Halde im Wald
Ein kleiner Rest von Tor 1
Rest von Tor 2
Sickergrube der ehemaligen Waschbaracke
Firma Dr. Kurt Herberts & Co
Nach der Beendigung seines Chemiestudiums gründete Doktor Kurt Herberts im Jahre 1925 sein erstes Unternehmen in der großen Hakenstraße in Wuppertal-Barmen. Bereits zwei Jahre später übernahm er die Firma seines Opas, die Otto Luis Herberts Werke an der Straße "Am Christbusch", wo künftig der Hauptsitz seiner Firma sein wird. Unter dem Namen "Dr. Kurt Herberts & Co" stellte das Unternehmen Anstrichsysteme, also Farben und Lacke, her. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Firma ein wichtiger Lieferant für die Luftwaffe, der Reichsbahn und der Marine. Die Produkte der Firma Herberts dienten dem Korrosionsschutz und zu Tarnzwecken. Hervorzuheben ist hier auch noch ein bedeutendes Produkt, welches zum Tarnanstrich von Bunkeranlagen bestens geeignet war und für die Organisation Todt hergestellt wurde. Die Firma Herberts und Co hatte in der Kriegszeit mehrere Zweigstandorte. Neben den zwei weiteren Werken in Wuppertal gab es noch Fabriken im Harz, im Erzgebirge, in Witten an der Ruhr und in Paris. Der Firmeninhaber Dr. Kurt Herberts, war im Krieg kein Mitglied der NSDAP, wurde aber dennoch am 20.04.1940 zum Wehrwirtschaftsführer ernannt. In den Jahren 1944 – 1945 war er sogar Vorsitzender der Fachgruppe Lacke im Geilenberg-Stab. Obwohl er komplett in die Rüstungsindustrie des Deutschen Reichs eingebunden war, unterstützte und schützte er privat lieber die Verfolgten des NS-Regimes.
Nachdem sich Kurt Herberts im Jahre 1976 ins Privatleben zurückgezogen hatte, wurde die Farben- und Lacke Firma von der Höchst AG übernommen. Noch heute ist die Firma am selben Standort, nur unter anderem Namen, existent. Kurt Herberts wurde 1901 geboren und starb im Jahre 1989.
Beton im Wald
Kappe einer Splitterschutzzelle - Bauart Humerohr
Transporthaken der Splitterschutzzelle
Trümmer und Reste der Küchenbaracke
Das Ausländerlager am Dausendbusch
Ab dem Sommer 1942 wurden in der Firma Dr. Kurt Herberts auch ausländische Arbeitskräfte eingesetzt. Zu diesem Zwecke wurden mehrere Arbeitslager errichtet. Eines davon, welches dem Stammwerk am Christbusch angehörte, war das Ausländerlager am Dausendbusch in Wuppertal-Barmen. Das Ostarbeiterlager bestand aus sechs Holzbaracken und vier Gebäuden aus Stein. Hinzu kamen noch eine Waschbaracke und eine Abortbaracke. Alle sechs Baracken (Baracke A-F) hatten die gleiche Breite von 6,14 Metern. Nur die Länge variierte. Die größte Baracke war 33,15 Meter lang, zwei Weitere waren 23,25 Meter lang, und die letzten drei Baracken hatte eine Länge von 19,95 Metern. Die Zwangsarbeiter, etwa 150 -200 Personen, kamen aus Russland, Polen und der Ukraine. Das Lager war mit Stacheldraht umzäunt, allerdings gab es keinerlei Apelle oder Wachposten. Die Ostarbeiter gingen jeden Tag zu Fuß zur Lackfabrik. Jeden Tag wurde neun Stunden gearbeitet, am Samstag nur der halbe Tag und der Sonntag war frei. Man durfte allerdings das Lager nicht verlassen, die Ausnahme war der nahegelegene Wald, in dem die Lagerinsassen Feuerholz sammeln durften, bzw. mussten, um nicht zu erfrieren, vor Allem in den Wintermonaten. Doch das Zwangsarbeiterlager der Firma Kurt Herberts bestand gerade mal ein kappes Jahr. Am 30. Mai 1943 fand der erste der beiden großen Luftangriffe der alliierten Bomberflotten auf Wuppertal statt. Besonders schlimm traf es dabei den Stadteil Barmen, vor Allem im Süden. So wurde auch das Ostarbeiterlager der Firma Herberts komplett zerstört. Über die detaillierten Todesfälle im Lager konnte ich leider keine Informationen ausfindig machen, nur darüber, dass das Lager an anderer Stelle neu errichtet wurde. Und in diesem Zustand befindet sich das ehemalige Zwangsarbeitslager in Wuppertal noch heute. Die Natur gewinnt (hoffentlich) immer und die zerbombten Gebäudereste verschwinden langsam unter der Flora der Wuppertaler Wälder. Nie wieder Krieg - Glück Auf!
Versteinerter Zementsack
Reste von Baracke F
Beton im Wald
Fundament der ehemaligen Baracke E
Eine der ehemaligen Fäkaliengruben des Lagers
Betontod...
Suchtour, Erkundung, Recherche, Fotos und Text: Eismann
© u-verlagerungen,de / Februar, März 2022
Für die Cineasten unter euch gibt auf YouTube auch noch ein kleines Video von den Relikten des Ostarbeiterlagers unter folgenden Link zu sehen: xxxxx