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unterirdische rüstungsproduktion in wort und bild

U-Verlagerung "Anhydrit" - Projekt B3


Das Projekt B3 besteht aus den beiden Untertage-Verlagerungen "B3a" und "B3b", aus einem Barackenlager sowie einem Bahnhof mit Materiallager. Da die beiden U-Verlagerungen B3a uns B3b neu zu erstellende Stollensysteme waren, bekamen sie einen Decknamen aus der Gesteinskunde. (passend laut Decknamenschema) Der Deckname der unterirdischen Räume war "Anhydrit" und der firmeninterne Deckname für die Anlage Anhydrit lautete "Hydra". Die Produktionsfläche sollte im fertigen Ausbauzustand eine Größe von ca. 300.000 m² erreichen. Doch bis zum Ende des Krieges (im April 1945) war die Anlage Anhydrit nur zu einem Drittel fertiggestellt worden. Von den fertigen 100.000 m² Produktionsfläche waren etwa 45.000 m² des Stollensystems mit einer Teilfabrik belegt, so daß untertage schon gearbeitet wurde, während nebenan noch der Stollenvortrieb im vollen Gange war. In dem fertig ausgebauten Teil der U-Verlagerung Anhydrit (Stollensystem B3a) waren eine Entwicklungsstation und eine Serienfertigungsstraße für die Raketen Schmetterling und Taifun bombensicher untergebracht. Doch gehen wir erst einmal ein paar Jahre in der Zeit zurück, zum Ursprung der U-Verlagerungen im Raum Nordhausen. Wir schreiben das Jahr 1936. In diesem Jahr wurde die erste Untertage-Verlagerung (U-Verlagerung "Ni") von der Wifo (Wirtschaftliche Forschungsgesellschaft m. b. H.) mit Sitz in Berlin errichtet. Am Nordhang des Berges "Kohnstein" bei Nordhausen/Thüringen wurden zwei parallel verlaufende Stollen (Stollen A und B) in etwa 200 Meter Entfernung in den Berg getrieben. Ziel war es ein untertägiges, und somit bombensicheres Lager, für Treibstoffe zu errichten und das ausgebrochene Gestein (Anhydrit) an das naheliegende Amoniakwerk bei Niedersachswerfen zu verkaufen. Als der Stollenvortrieb das standfeste Anhydritgebirge erreichte, begann man damit Querstollen, die sogenannten Kammern, zwischen den beiden Fahrstollen zu errichten. Das Grundgerüst für die heute bekannte Anlage im Kohnstein (das Mittelwerk) war somit geschaffen worden. Als in der letzten Phase des 2. Weltkrieges immer mehr Luftangriffe gegen das Deutsche Reich geflogen wurden und somit immer häufiger die kriegswichtigen Firmen das Ziel der Bomber waren, war man gezwungen, die Rüstungsfabriken zu schützen. Die systematische Untertage-Verlagerung der wichtigsten Rüstungsindustrie (Flugzeugproduktion, Treibstoffherstellung, Waffen- und Munitionherstellung, Kugellagerindustrie, Reparaturbetriebe, usw...) war nun von nöten. Man bediente sich zunächst des vorhandenen unterirdischen Treibstofflagers der Wifo und plante mit allen zur verfügung stehenden Mitteln einen Weiterausbau der bestehenden Stollenanlage. Die U-Verlagerung "Ni" sollte um ein Vielfaches vergrößert werden. Unter Regie des Bau-Büros der Wifo wurden die Fahrstollen und Hallen erheblich erweitert. Die Stollen A und B wurden auf 12 Meter Breite und 8 bis 10 Meter Höhe ausgebaut. Auch die Kammern wurden vergrößert, wobei man stets darauf achtete, daß die Pfeiler zwischen den Kammern immer eine Stärke von mindestens 20 Metern hatten. Da sich der reine Anhydrit-Felsen sehr gut für den Stollenneubau eignete, wurde weitgehend auf eine Verkleidung oder Ausmauerung in der Stollenstrecke verzichtet. Ende 1943 und Anfang 1944 wurde mit dem Bau von weiteren Stollenneubauten im Raum Nordhausen begonnen.


Das waren folgende B-Projekte: (neben dem Mittelwerk)

B3 = U-Verlagerung "Anhydrit"

B4 = U-Verlagerung "Lava"

B11 = U-Verlagerung "Zinnstein"

B12 = U-Verlagerung "Kaolin"

B15 = U-Verlagerung "Argentit"

B17 = U-Verlagerung "Gneis"


Auch eine stattliche Anzahl von U-Verlagerungen in vorhandenen Hohlräumen wurden im Südharz errichtet. Die Bekannteste ist mit Sicherheit die unterirdische Flugzeugfabrik in der Heimkehle. Alle Untertage-Verlagerungen im Gebiet Nordhausen wurden nun unter der zusammengefassten Bezeichnung "Mittelbau" geführt. Das Oberkommando über den Mittelbau hatte SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS, Dr. Ing. Kammler. (Kammlerstab) Ihm unterstand auch die von ihm eingesetzte örtliche Dienststelle der Sonderinspektion II, welche wiederum die Oberaufsicht aller U-Verlagerungen im Raum Nordhausen hatte. In Zusammenarbeit mit zivilen Baubüros und dem Planungsstab der Sonderinspektion II erfolgte die Planung und Ausführung der U-Anlagen. Die höchste örtliche Baudienststelle und gleichzeitig Vertreter des Bauherren (in diesem Falle das Deutsche Reich) war der SS-Führungsstab der Sonderinspektion II. Auch eine größere Vermessungsabteilung, bestehend aus Vermessungsbeamten aus staatlichen und zivilen Vermessungsbüros war dem Planungsstab angeschlossen. Zusätzlich standen allen Führungsstäben ein Geologe und ein bergbaulicher Sachverständiger beratend zur Seite. Alle Untertagebaustellen wurden von der Bergbauakademie mit Sitz in Clausthal überwacht. Für die Bewetterung der U-Anlagen wurden extra Spezialisten aus dem Ruhrgebiet, aus Bochum hinzugezogen. Diese stammten von der westfälischen Wetterstelle. Doch bevor man mit dem Stollenvortrieb beginnen konnte, mußte man noch folgende Erkundungen einholen: (diese waren Voraussetzung)

1. Standfestigkeit des Gebirges ohne Ausbau

2. Mindestüberdeckung von 25 Metern im gewachsenen Fels

3. Vermeidung von Gebirgsstörungen

4. Günstige Angriffspunkte für Stolleneingänge

5. Vorteilhafter Reichsbahnanschluss (Verkehrswege)

6. Günstige Be- und Entwässerungverhältnisse

7. Tarnungsmöglichkeiten

Während der gesamten Bauphase der Untertage-Verlagerungen im Mittelbau wurde die Region um Nordausen zum Sperrgebiet erklärt. Das Sperrgebiet hatte einen Radius von gut 50 Kilometern.

U-Verlagerung "B3a" - Bau der unterirdischen Raketenfabrik

Baubeginn der Anlage B3a war im März 1944. Eine Abtarnung der Baustelle erfolgte nicht, da die umliegenden Berge und Gipsfelsen für ein natürliche Tarnung sorgten. Der Ausbruch aus dem Stollenbau wurde auf eine Kippe gebracht, welche etwa 3 Kilometer von der Baustelle entfernt lag. Die Halde lag genau neben einer Gipsfabrik und war groß genug, den Abraum von über zwei Millionen Kubikmeter ausgesprengten Anhydrit aufzunehmen. Die gewaltige Anlage sollte rund 100 Montagekammern, welche von fünf Fahrstollen (Stollen A-E) durchkreuzt wurden, erhalten. Die Montagehallen und die von Norden nach Süden streichenden Fahrstollen hatten eine Firstenhöhe von 8,50 Meter und eine Breite von 12 Metern. (wie auch im Mittelwerk) Diese Größe der Stollen war für den zweigeschossigen Ausbau der U-Fabrik, wie sie die Rüstungs- und Fertigungsfirmen gefordert hatten, nötig. Ausserdem war dann auch noch genug Platz für eine Gleisanlage neben den Maschinen und die Bagger, welche die Ausbruchmassen verluden, vorhanden. Das Auffahren der Eingangsstollen (24 an der Zahl) begann fast zeitgleich.

Das hatte den Vorteil, daß die Baustelle sich möglichst schnell untertage verzog. Auch mit dem Bau des ersten Fahrstollens (Stollen A) war eine natürliche Bewetterung der Anlage "B3a" gewährleistet. Für den Stollenvortrieb und den Abtransport des Stollenausbruchs wurden in den Stollenstrecken und auf dem gesamten Gelände vor der Steilwand eine Gleisanlage errichtet. Verantwortlich für den Bau des Fahrbetriebs war die Firma Grün und Bilfinger aus Berlin. Der größte Teil der Gleisanlagen hatte eine Spurweite von 90 Zentimetern. Nur im Südteil der U-Verlagerung B3a wurde auf einer 60 cm breiten Spurweite gefahren. Der Abtransport des Ausbruchs, sowie alle anderen Fahrten im Freien wurden mit Hilfe von Kohlenloks bewerkstelligt. Untertage wurden zunächst Dieselloks, später auch Elektroloks eingesetzt. Eine Lok dieser Art kann man heute auf dem Gelände der Gedenkstätte "KZ-Dora" besichtigen. Die Lok stammt aus dem südlichen Stollensystem der Hydra-Werke. Ein Anschlussgleis verlief von der Baustelle B3a bis zur Reichsbahnstrecke Nordhausen-Northeim. Dort wurde auch ein Rangierbahnhof und eine Materialverladeanlage erbaut. Insgesamt wurden rund um das Projekt "B3a" 44 Kilometer Gleise verlegt: - 28 km Schmalspurgleis mit 90 cm Spurweite- 14 km Schmalspurgleis mit 60 cm Spurweite -  6 km Reichsbahngleis zwischen Reichsbahn-Hauptstrecke und Baustellenbahnhof. Bei Fertigstellung der Anlage B3a sollten 5 Reichsbahngleise in die unterirdische Rüstungsfabrik führen. Während der Zeit des Baubetriebes wurden die nötigsten Einrichtungen zum Schutz vor Bombenangriffen zunächst provisorisch in die Pilotstollen oder Förderstollen und in den ersten Parallelstollen untergebracht. Das waren wichtige Dinge wie die Kompressoranlagen zur Druckluftversorgung, die Trafostationen zur Stromversorgung, die Notküchen, die Fernsprechanlagen und die Verpflegungsmagazine. Auch ein provisorisches Lager für das wertvolle Bohrgerät entstand so im Inneren des Berges.Während im Inneren der U-Verlagerung "Anhydrit" hektisches Treiben herrschte und der Stollenvortrieb im vollen Gange war, dachte man anderorts über die Art der bombensicheren Zugangsbauwerke, den Stollenmundlöchern nach. Es  lagen verschiedene Pläne und Vorschläge für versenkbare Tore, Schiebetore oder Pendeltore vor. Doch man hatte sich noch nicht entschieden. Aber Eines war schon sicher: Alle Vorschläge bestanden aus zwei bis drei hintereinander geschalteten Schleusen, welche aus Stahlbeton bestehen sollten. Das Aussentor sollte eine Stärke von 2,50 Meter bekommen. Die inneren Tore sollten der Reihe nach immer eine schwächere Wandstärke bzw. Torstärke erhalten. Der Antrieb zum Öffnen der Tore sollten entweder elektrisch oder hydraulisch ausfallen. In jedem Fall aber sollten die Tore im Notfall von Hand zu öffnen sein. Heutzutage sind nur noch zwei originale Eingangsbauwerke der U-Verlagerung Anhydrit erhalten geblieben. Das Stollenmundloch von Fahrstollen E und der Stollen 10, welcher später, zu DDR-Zeiten noch als Zufahrt genutzt wurde. In beiden Stollenmundlöchern fehlen die originalen Tore - sie wurden durch neue Stahltore ersetzt. Am Baustellenbahnhof "B3a´", am Fuße der Steilhänge, entstand schon nach kurzer Zeit ein riesengroßes Lager für das Baumaterial, die Maschinen und die Baugeräte. Neben den Werkstätten jeglicher Art wurde auch ein großzügiges Barackenlager zur Unterkunft der Arbeiter errichtet. Weiterhin wurden auch Gebäude für die Bauleitung und Firmenbüros, für die Großküchenanlage und die Krankenreviere erbaut. Hinzu kamen auch noch eine Lok-Reparaturhalle, mehrere Lagerschuppen und eine provisorische Kläranlage. Der Rest wurde, wie eben schon erwähnt, zum Schutz vor eventuellen Bombenangriffen unter Tage eingelagert. Das Barackenlager bestand aus etwa 70 Baracken. Davon dienten etwa 30 Baracken zur Unterbringung der Zivilarbeiter, rund 20 Baracken stellten die Unterkunft der Baufirmen samt Bergleute dar, in 12 Baracken waren die Werkstätten und die Lagerhallen untergebracht und zwei Baracken wurden von dem Planungsstab belegt. Hinzu kamen noch die Baracken der Wachmannschaft sowie ein Pförtnerhäusschen. Dieses Lager war übrigens das zweite Außenlager (neben Lager Dora) des KZ-Buchenwald im Mittelraum. Die Zahl der Arbeitskräfte, welche auf der Baustelle "B3a" beschäftigt waren schwankte zwischen 5.000 und 6.000 Personen. (Insgesamt waren auf der Stollenneubaustelle "Anhydrit" 12.000 Zwangsarbeiter eingesetzt) Alle Arbeiter, die nicht direkt vor den Stollen untergebracht waren, stammten von Sammelunterkünften und Privatquartieren in den umliegenden Ortschaften. Die größten und bekanntesten waren die beiden Lager "Hans" bei Harzungen und "Erich" bei Ellrich. Da diese bis zu 50 Kilometer entfernt lagen, wurden die Arbeiter jeden Tag mit Bussen oder mit der Reichsbahn zur Baustelle gefahren. Als Anmarschweg galt eine halbe Stunde Zeit als Höchstmaß. Alle Lager waren zunächst Außenlager von "Buchenwald", später wurden sie in das Lager Dora eingegliedert. Die Gefangenen bestanden größtenteils aus Russen, Polen, Ungarn und Juden. Aber auch Zigeuner, Franzosen und Belgische Zwangsarbeiter waren in den Barackenlagern untergebracht. Auch hier mussten viele Menschen bis zum Kriegsende leiden und ihr Leben lassen. Erschwerte Bedingungen für die armen Menschen herrschte auch beim Transport zu den Arbeitsstätten. Die offenen und überfüllten Eisenbahnwaggons fuhren bei jedem Wind und Wetter. Am schlimmsten war es im strengen Winter 1944/1945. Jede U-Verlagerungs-Baustelle im Mittelbau hatte ein eigenes Krankenrevier. (Das war auch auf anderen Großbaustellen wie "Eisenkies" so üblich) Jeweils ein Baustellenarzt und ein Zahnarzt stellten die ärztliche Versorgung der Bauarbeiter dar. Das Krankenrevier der Anlage B3a war allerdings nur für leichtere Erkrankungen ausgelegt. Schwer erkrankte Arbeiter wurden in das Krankenhaus Nordhausen verlegt. Mit Beendigung der Bauarbeiten und Fertigstellung der U-Verlagerung "Anhydrit" sollte der Baustellenarzt durch einen Werksarzt ersetzt werden, welcher seine Praxis dann im Untertage-Betrieb haben sollte.


Stollenmundloch der U-Verlagerung Anhydrit


Deckgebirge und Gipswand über der Untertage-Verlagerung B3a


Blindort in dem Stollenneubau


gigantische gesprengte Stollen im Berg


abgesoffene Produktionshalle der U-Verlagerung Anhydrit


Trümmerfeld im Fahrstollen A - mittig der kleine Bergmann im großen Stollen


Relikte im Trümmertango


Der Stollenvortrieb und der Ausbau der unterirdischen Fabrik wurden im Schichtbetrieb geleistet. Es wurden mehrere verschiedene Schichten auf der Baustelle gefahren. Zum einen gab es die 12-Stunden-Schicht, die 2x täglich abgeleistet wurde. Zum anderen gab es noch den dreimal 8-Stunden-Betrieb, vor allem im Untertage-Bereich. Die schwerste Arbeit, der 24-Stündige Stollenvortrieb wurde überwiegend von Zwangsarbeitern durchgeführt. Die Mitarbeiter der Baufirmen arbeiten rund 12 Stunden pro Tag. Nur die Bergmänner der Schachtbau A.G. aus Nordhausen arbeiteten acht Stunden am Tag. Da die Bergleute in finanzieller und sozialer Hinsicht, trotz kürzerer Arbeitszeiten im Vorteil waren, gab es schnell Unzufriedenheiten auf der Baustelle. Trotz der Ungleichheit der Arbeitsdauer lagen die Leistungen der Bauindustrie erheblich höher, als die der Kumpel aus dem Bergbau. Auch der Stollenausbau durch die Baufirmen war erheblich besser ausgeführt. Die Bergleute arbeiteten in ihrem Bereich fast ausschließlich mit ihren bekannten und gewohnten Geräten aus dem Steinkohlenbergbau. Sie arbeiteten mit Salzgitterladern, Panzerförderern, Schrappern und anderen Schnellladern. Die Bauindustrie hingegen bediente sich überwiegend mit Steinbruchausrüstung wie Diesel- und Elektrobaggern, welche erheblich besser geeignet für das Gipsgestein waren .Ausschlaggebend für die schnellstmögliche Fertigstellung der Untertage-Verlagerung "Anhydrit" war natürlich das Vorankommen im Stollenvortrieb. Man versuchte die Arbeitsleistung der Arbeiter zu erhöhen, indem man ein Akkordsystem mit Geldprämien einführte. Doch das System half nicht so richtig. Erst die regelmäßige Belohnung der Arbeiter mit zusätzlicher Bekleidung, Spirituosen und Tabakwaren führte dazu, daß Höchstleistungen im Stollenbau und Produktionskammervortrieb erreicht wurden. So wurde pro Tag in einer 24-Stunden-Schicht auf jeder Vortriebsbaustelle eine Strecke von etwa zwei Metern aufgefahren. Zuvor wurde ein neu entwickeltes, geheimes Pionier-Bohrgerät auf der B3-Baustelle erstmalig getestet. Das Bohrgerät wurde zuvor im Pionier-Ausbildungs-Bataillon in Höxter an der Weser entwickelt und leistete gute Dienste bei der geophysikalischen Voruntersuchung des Gebirges. Nach Abschluss der Untersuchungen begann der Vortrieb der Anhydrit-Stollen. Beim Stollenvortrieb in einer Kammer von 8,50 Metern Firsthöhe und 12 Metern Stoßbreite war die effektivste Arbeitsmethode zunächst im Bereich der zukünftigen Stollenfirste eine 2 - 3m lange Trassen vorzutreiben. Die Trassen hatte dabei schon die entgültige Kammerbreite. Danach wurde die gesamte Kammerquerschnittsfläche mit 20 bis 25 Bohrlöchern gespickt. Diesen hatten eine Tiefe von 2,50 Metern und wurden für das Einbruchschießen mit Donarit (Sprengstoff) und Gelantine besetzt. Ein Bohrhammer benötigte zwei cbm Pressluft in der Minute. Um am einen Arbeitstag den Stollenvortrieb von 2 Meter zu schaffen, teilte man den Ablauf in drei Acht-Stunden-Schichten auf: Erste Schicht: 8 Stunden Bohrlöcher setzen Zweite Schicht: 8 Stunden Zeit für:- Besetzen der Bohrlöcher mit Donarit- elektrisches Sprengen- Beräumen der Schuttmassen- Montage der Wetterlutten- Montage der Schmalspurgleise Dritte Schicht: ebenfalls 8 Stunden Zeit für:- Laden und Abtransport des Ausbruchs- Anbohren der neuen Trasse unter der Firste Diese drei Arbeitsschichten waren Richtmaß und ausschlaggebend für die Akkordleistung und dementsprechende Belohnung der Arbeiter. Das auf der Baustelle B3a angewandte Sprengverfahren stammt aus dem Bergbau, wo es genauso üblich war. Das Sprengverfahren war ein sogennantes "Einbruchschießen", wobei die Zündungen zeitlich nacheinander versetzt erfolgten. Zunächst wurde das mittlere Kernstück herausgeschossen, worauf dann die Explosionen der kreisförmig angelegten Sprengsätze folgten .Aus Sicherheitsgründen wurden zwischen den Produktionskammern immer ein Pfeiler von einer Breite mit 15 Meter Mächtigkeit stehengelassen. Zusätzlich wurde jede 6. Kammer ausgelassen, so daß ein zusätzlicherer Pfeiler von 42 Metern die Sicherheit der unterirdischen Räume gewährleistete. Nicht immer wurde der Stollenvortrieb von 2m pro Baustelle und Tag eingehalten, bzw. erreicht. Das lag allerdings nicht am Können und Wollen der Bauabteilungen, sondern vielmehr an dem immer stärker werdenden Mangel an Arbeitskräften. Zudem fehlten oftmals die so dringend benötigten Baustoffe wie Bohrgeräte, Treibstoffe, Kohle und Stahlerzeugnisse. Bombenangriffe verursachten die Engpässe der Zuliefererindustrie und waren auch zeitweilig am Energieausfall auf der Baustelle verantwortlich. Die vorab angeschlagene Bauzeit von einem Jahr konnte so unmöglich eingehalten werden. Mit dem Fahr- und Ladebetrieb des Ausbruchs gab es hingegen keinerlei Probleme. Der Wagenpark, die Gleiskörper und der Maschinenpark über Tage war so eingerichtet, daß er bei Vollbesetzung aller Vortriebsstellen den reibungslosen Abtransport der Schuttmassen bewerkstelligen konnte. Der Innenausbau der Stollenanlage erforderte mit kleinen Ausnahmen keine weiteren Baumaßnahmen. Das Gebirge galt als Standfest. Mit einem Deckgebirge von 60 - 80 Metern gewachsenen Fels über dem Stollenneubau war eine Bombensicherheit von 100% gegeben. Die sauber ausgeschossenen Innenwände wurden lediglich gekalkt. Dieses diente dem Nässeschutz. Einen zusätzlichen Ausbau der Stollen erhielten nur die Räume für die Klimaanlagen, die Energieversorgung (Kompressorkammer, Trafostation, usw.) und die sozialen Einrichtungen. In den Werkhallen mit stärkeren Wärmequellen sollten Torpedonetze gegen eventuellen Steinschlag eingezogen werden. Nachdem die Versorgungsleitungen und die Entwässerungskanäle verlegt worden waren, sollten die Stollensohlen betoniert und mit leichten Bitumen- oder Teerdecken belegt werden. Je nach Vorgabe der Rüstungsfirmen sollten Fundamente oder Maschinensockel auf die jeweilige Fläche im Stollen betoniert werden. Dies ist zum Teil, vor allem im südlichen Bereich der U-Verlagerung B3a auch schon geschehen. In die Produktionshallen, in denen ein mehrgeschossiger Ausbau vorgesehen war, wurden Betonfertigteile auf Stahlgerüsten montiert. Die Eisenbetonfertigteile stammten aus einer Betonfabrik bei Niedersachswerfen. Besondere Dringlichkeit hatte der Ausbau des südlichen Teils des Stollensystems. Hier, in der späteren "Raketenproduktion" wurden die Montagekammern eilig, wenn auch provisorisch zur Fabrik ausgebaut. Dies geschah mit einfachen Holzstützen, auf denen eine zweite Ebene errichtet wurde. Der Vorteil war die kürzere Bauzeit bei diesem Ausbauverfahren. Innerhalb einer Woche konnte jeweils eine Produktionskammer mit einer Fläche von 800 m² fertiggestellt und bezogen werden. Eine Großbaustelle wie das Projekt "B3a" benötigt natürlich eine Menge Energie. Aus den Netzen der Überlandzentralen, besonders aus dem Überlandwerk in Bleicherode erfolgte die elektrische Energieversorgung der Anlage Anhydrit. Zunächst waren übertage, auf der Freifläche vor den Stollenmündern ein 50kw-Umspannwerk mit vier Trafostationen errichten worden. Diese zogen nach und nach in die Untertage-Verlagerung ein, damit sie besser geschützt waren. Infolge des Treibstoffmangels wurden mehrere Bagger auf den elektrischen Arbeitsbetrieb umgebaut. Auch wurden sämtliche Kompressoranlagen elektrisch betrieben. Durch das Aufstellen von Exhaus-Toren vor und über den Stollenmundlöchern war die Bewetterung der untertägigen Baustellen, wenn auch in einfachster Form gegeben. Später fanden die Bewetterungsanlagen einen Platz in den Förderstollen. Die Wetterlutten hatten einen Durchmesser von 60 und 80 Zentimetern. Es wurden jeweils zwei Luttenleitungen bis zu den Vortriebsbaustellen verlegt. Durch die eine Luttenleitung wurden frische Wetter in die untertägigen Räume hineingeblasen und durch die Andere wurden die matten Wetter abgesaugt. Besonders angenehm machten sich die Durchbrüche zwischen den Kammern und den Förderstollen bemerkbar. Denn dann trat eine natürliche Luftzirkulation ein und die Baustellen wurden mit Frischluft umspült. Auch im südlichen Teil des Stollensystems, im späteren Fertigungsbereich der Raketen Taifun und Schmetterling, wurde diese Belüftungsart provisorisch errichtet. Die gesamte und endgültige Klimaanlageder U-Verlagerung "Anhydrit" befand sich noch in der Planungsstufe. Dabei sollten die Erfahrungen aus dem schon bestehenden Mittelwerk im Kohnstein in die Planung mit einfließen. Probleme bereitete auch die Wasserversorgung. Das einzige sich in der Nähe befindliche Flüsschen Zorge war (und ist) sehr klein. Die Zorge führte nicht genug Wasser um den enormen Verbrauch sicher zu stellen. Ausserdem war das Zorge-Wasser stark verschmutzt, so daß das Flusswasser nur als Brauchwasser verwendet werden konnte. Zu diesem Zweck wurde ein Brunnen im Flussbett angelegt, der mit Rohrleitungen mit  der Baustelle verbunden war. Während der Bauzeit erfolgte die Trinkwasserversorgung aus dem eh schon überlasteten Wasserversorgungsnetz der Stadt Nordhausen. Die Stadt Nordhausen musste auch die anderen Untertage-Verlagerungen, bzw. deren Baustellen mit Trinkwasser versorgen. Das von der Sonderinspektion II geplante zentrale Wasserversorgungsnetz war bereits im Bau. Vor dem Südhang des Berges, vor den Fahrstollen C, D und E wurde eine provisorische Kläranlage errichtet. Diese war vollkommen ausreichend für die anfallenden Abwässer der Baustelle. Bei Fertigstellung der Anlage B3a und nach Einbau der 2-geschossigen sanitären Anlagen im Inneren des Berges, sollte das Kanalisationsnetz erweitert werden. Die Abwässer sollten dann zur zentralen Großkläranlage neben dem Amoniakwerk bei Niedersachswerfen geleitet werden. Dieses Klärwerk sollte auch die Abwässer der anderen U-Verlagerungen rund um Nordhausen reinigen. Doch bis dahin wurde das provisorisch gereinigte Abwasser der Zorge zugeführt. Die übertage im freien Gelände verlaufenden Wasserrohre zur Ent- und Bewässerung des Bauprojekts "B3a" waren nicht bombensicher geplant.Die Baukosten der U-Verlagerung "Anhydrit" betrugen rund 50 Millionen Reichsmark. Davon waren allein 35 - 39 Millionen Reichsmark für den Bau der unterirdischen Stollenanlage veranschlagt worden. Der Rest war für das Infrastrukturnetz und die Aussenanlagen der Baustelle vorgesehen. Diese enorme Summe entspricht einem durchschnittlichen Einheitspreis von rund 300 Reichsmark pro Quadratmeter. Wie anfangs schon erwähnt, sollte der Ausbruch von Gipsgestein anschließend verkauft werden. Dieser Gewinn und der Lohn der Arbeiter wurden in den vorgenannten Zahlen noch nicht berücksichtigt. Februar 1945: Während an anderer Stelle der Stollenvortrieb noch im vollen Gange war, zogen die die ersten Rüstungsbetriebe in den bereits fertigen Teil der U-Verlagerung Anhydrit ein. Die beiden Firmen, die in die Stollen einzogen, waren die Flugzeugwerke "Schönefeld AG" und "Oder AG", welche beide dem Henschel-Konzern angegliedert waren. Firmeninterner Deckname der U-Verlagerung "Anhydrit" war "Hydra" oder auch "Hydra-Werk". Unter der Leitung von Professor Herbert Wagner, welcher maßgeblich für die Entwicklung aller Hs-Raketentypen verantwortlich war, wurde in dem fertig ausgebauten Stollenabschnitt eine Entwicklungs- und Forschungsstation für Raketen eingerichtet. In den unterirdischen Hallen fand zunächst die Weiterentwicklung der Raketentypen Hs 117 (Rakete Schmetterling) und Hs 289 (Rakete Taifun) statt. Die "Schmetterling" wurde bereits 1941 von der Flugzeugfirma Henschel erfunden. Die Rakete war eine Flugabwehrrakete mit Funksteuerung (Radio-Befehlssteuerung) und einem Sprengkopf mit einer Pulverladung von 23 Kilogramm und einem elektrischem Zünder. Die knapp zwei Meter lange Taifun-Rakete war ebenfalls eine Flugabwehr-Rakete. Sie hatte einen Flüssigkeits-Raketenmotor, besaß aber keine Steuerung. In dem Raketenkopf war eine 0,5-Kilogramm-Pulverladung, die mit einem verstellbaren Verzögerungszünder ausgelöst wurde. Der noch im Bauzustand befindliche Nordteil der Untertageanlage sollte der Serienfertigung der Raketen dienen. Doch zur unterirdischen Raketenproduktion im Harz ist es wegen dem Kriegsende nicht mehr gekommen...


Untertage-Romantik - Pause am B3-See...


Kilometerlange gesprengte Stollen in der Untertage-Verlagerung


ehemalige Kammer zur Raketen-Produktion der Anlage Anhydrit


Befahrung...


U-Verlagerung "B3b":

Das Untertage-Projekt "B3b" sollte in dem selben Gebirgszug, östlich der U-Verlagerung "B3a" entstehen. Mit dem Stollenneubau wurde im Herbst, genauer gesagt im August 1944 begonnen. An allen 17 Eingangsstollen an der Nordseite des Berges wurde mit dem Vortrieb begonnen. Die Stollen 7 - 11 erreichten bereits den Querstollen A und hatten eine untertägige Verbindung. Bei Fertigstellung der Anlage B3b sollte diese mit zwei Fahrstollen mit dem Projekt B3a verbunden werden. Der Bau der U-Verlagerung "B3b" wurde jedoch schon Anfang 1945 wieder eingestellt. Sämtliche Arbeiter (ca. 6.000 an der Zahl) und Baugeräte wurden zu Gunsten der U-Verlagerung "S3" (Deckname Olga) abgezogen und zur Unterstützung im Jonastal eingesetzt. Sämtliche Mundlöcher der Anlage B3b wurden nach dem Krieg gesprengt. Heute ist eine Befahrung des kleinen Stollensystems nicht mehr möglich. Jedenfalls liefen wir einen Tag lang, mit dem Riss der Anlage B3b in der Hand am Steihang des Berges entlang. Immer wenn wir uns vor einem  eingezeichneten Stollenmundloch befanden, sahen wir einen gewaltigen Schuttberg in einer vermeindlichen Zugangschlucht. Die ehemaligen Stollen müssen auf einer Länge von 20 bis 30 Metern gesprengt worden sein. Hier gibt es garantiert kein Zugang mehr - schade. Die einzigen Zeugen, die wir von der U-Verlagerung "B3b" fanden, waren alte Loren und Schmalspurgestänge, die im Wald zwischen Birken vor sich hin rosteten. Die Loren stammten noch vom Abtransport der Ausbruchmassen und wurden nach dem Krieg hier zurückgelassen.



So sieht die U-Verlagerung "Anhydrit" heutzutage aus:

übertage:

Von Aussen ist nicht mehr viel von der riesigen unterirdischen Rüstungsfabrik zu erkennen. Nur noch zwei Stollenmundlöcher sind vorhanden und führen in einen kleinen Teil des Werkes. Vor Stollenmundloch E befindet sich die Ruine einer ehemaligen Lüftungs- und Versorgungseinrichtung der U-Anlage. Alle anderen Stollenmundlöcher wurden nach Kriegsende gesprengt. Vor den Steilwänden findet man hier und dort noch Reste von den Baracken und den Gleisanlagen. Auch einige Metallteile liegen noch verstreut im Wald herum und rosten vor sich hin. Läuft man oberhalb der Anlage B3a, auf der Bergkuppe entlang, findet man die einzigen interessanten Hinterlassenschaften von "Anhydrit". An einer Stelle im Wald befindet sich ein seiger geteufter Schacht, der zur Bewetterung diente. Der ehemalige Luftschacht der U-Verlagerung "Anhydrit" stammt aus dem Jahre 1945 und hat eine Teufe von  40 Metern. Der Schacht ist heute mit einer Stahlplatte fest verschlossen. In der Nähe des Schachtes befindet sich auch die Inschrift "Flieger sind Sieger"in einer alten Buche. Vor der ehemaligen U-Verlagerung "B3b" findet man heute nur noch, wie vorhin schon erwähnt, die Reste der Kipplorenbahn im großzügigen Waldgebiet des Südharzes. Eine betonierte Panzerstraße zwischen den beiden Untertage-Verlagerungen ist ebenfalls noch vorhanden. Letztes Zeugnis vergangener Aktivitäten ist noch ein kleiner Luftschutzbunker für die Bauinspektion, welcher versteckt in einem Hang liegt...

untertage:

Das fertiggestellte Stollensystem ist noch vorhanden. Auch im Inneren des Berges wurden alle wichtigen Streckenkreuze gesprengt. Man klettert über gewaltige Schuttberge wenn man die Anlage B3a befährt. Viele der Blindörter, Kammern und große Teile der Fahrstollen stehen heute bis zu 5 Metern unter Wasser. In dem südlichen Teil der Untertage-Verlagerung sieht es ein bisschen besser aus. Dort zog vor einigen Jahren ein Champignon-Züchter ein. Dieser entdeckte bei Aufräumarbeiten im Stollen auch einige Exponate wie Loren und eine Lok, welche heute auf dem Gelände der Gedenkstätte "KZ-Mittelbau-Dora" ausgestellt sind. Alle Einbauten, der Maschinenpark und die Raketenteile wurden bereits nach Ende des Zweiten Weltkriegs von den Alliierten aus dem Stollensystem entfernt. Der klägliche Rest wurde von den sowjetischen Truppen kurz vor den Sprengungen entwendet. Nach der Sprengung der U-Verlagerung "Anhydrit" sollte niemand mehr das Stollensystem zu Rüstungszwecken nutzen können...


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