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unterirdische rüstungsproduktion in wort und bild

 
 

U-Verlagerung Makrele 1/2


Nachdem das Deutsche Reich schon mehrfach durch Luftangriffe der Alliierten Bomber angegriffen wurde und zum Teil erheblich zerstört war, wurde noch gegen Ende des Krieges versucht, fast alle kriegswichtigen Industriezweige zu schützen und unter die Erde zu verlagern. So auch das Junkerswerk in Halberstadt. Als alle möglichen Standorte erkundet waren, endschied sich der Halberstädter Flugzeugbauer einen vorhandenen Felsenkeller zu erweitern und dort ein Teil der Zellen- und Tragflächenproduktion bombensicher zu verlagern. Der Neubau der Stollenanlage erhielt zunächst den Decknamen Granit, wurde aber im Laufe der Planungen durch die Organisation Todt wieder geändert. Desweiteren war die Beschlagnahmung weiterer Felsenkeller im Bereich der Halberstädter Sternwarte geplant. Die Untertage-Verlagerungen der Junkerswerke Halberstadt hatten die Decknamen "Makrele 1" und "Makrele 2". Über diese beiden Projekte ist bis heute relativ wenig in der Öffentlichkeit bekannt. Nur über die größte U-Verlagerung der Junkerswerke Halberstadt gibt es mehr Informationen und einige recht gute Berichte im Internet zu finden. Die Rede ist natürlich von der U-Verlagerung "Malachit", einem gigantischen Stollenneubau, in dem rund 70.000 Quadratmeter Produktionsfläche für Junkers vorgesehen war. Insgesamt waren für die Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG über 100 Untertage-Verlagerungen vorgesehen. Davon allein 60 Stück für den Flugzeugmotorenbau und 37 für die Zellenfertigung. Hinzu kamen noch einige unterirdische Kleinbetriebe der Zuliefererindustrie. Hier in diesem Bericht geht es um die Anlage Markrele 1, einer Untertageverlagerung der Junkers Flugzeugzellenwerke.



Wir beginnen diesen Bericht mit einem kleinem Geschichtsteil der Junkerswerke in Halberstadt. Im Jahre 1935 siedelte sich die Firma Junkers Flugzeugbau auf dem Gelände der Berlin-Halberstädter Industriewerke an. Das war im Bereich der damaligen Klusstraße, welche heute Rudolf-Diesel-Straße heißt. Die Junkerwerke errichteten dort in kurzer Zeit mehrere große Hallen, in denen schon ab 1936 die Produktion von Flugzeugtragflächen anlief. Zum Junkerswerk in Halberstadt gehörten sieben Montagehallen, darunter zwei für den Tragflächenbau und jeweils eine für den Vorrichtungsbau und Montage der fertigen Flügel. Im Dezember 1938 waren bereits 3.139 Arbeiter in dem Werk beschäftigt. Sie montierten überwiegend Tragflächen der Junkers-Flugzeuge. Gegen Ende des Jahres 1943 hatte die Fabrik bereits 4.500 Mitarbeiter. Dieses konnte im Folgejahr 1944 nochmals gesteigert werden, so dass das Junkerswerk ein Höchststand von 6.000 Arbeitern beschäftigte. Darunter waren etwa 2.600 ausländische Zivil- und Zwangsarbeiter. Aber auch die ab ausländischen Arbeitskräfte, welche ab 1943 vermehrt verpflichtet wurden, reichten bei Weitem nicht aus, dasss enorme Arbeitsaufkommen der Junkerswerke zu bewältigen. Der Krieg musste weiter laufen und es wurden dafür immer mehr Flugzeuge benötigt. Wie auch bei anderen Frabriken der Jägerprogramms üblich, forderte auch das Junkerswerk in Halberstadt zu diesem Zwecke KZ-Häftlinge beim Jägerstab an. Im Juli 1944, genauer gesagt am 26. und am 31. Juli, trafen die ersten beiden Transporte mit jeweils 250 Gefangenen in Halberstadt ein. Zunächst kamen die Häftlinge von noch aus dem Halberstädter Aussenkommando Schönebeck, einem eingens von Junkers angelegtem Lager, später jedoch wurden sie vom KZ Buchenwald nach Halberstadt überführt. Laut der Aussage eines französischen Häftlings und Zeitzeugen befand sich das Arbeitslager am Ausgang der Stadt, neben der Straße nach Quedlinburg, in unmittelbarer Nähe der Reichsbahnlinie und war nur wenige hundert Meter von dem Junkerswerk Halberstadt entfernt. Das Lager bestand aus mehreren Baracken und war mit Stacheldraht umzäunt. Im Dezember 1944  zähle das Lager rund 900 Häftlinge. Im Jahre 1944 war das Halberstädter Tragflächenwerk auch begehrtes Ziel der Alliierten Bomber. Drei mal wurde die Fabrik angegriffen. Die ersten beiden Luftangriffe der Alliierten am 11. Januar und am 22. März richteten nur geringe Schäden an. Die meisten Bomben verfehlten das Ziel. Beim dritten Luftangriff jedoch, gab es schon etwas mehr Verlust zu melden. Mehrere Montagehallen wurden durch Bomben teilweise schwer zerstört. Allerdings hatte Junkers schon zuvor Vorkehrungen getroffen und wesentliche Produktionsbereiche dezentral verlagert. Daher bedeutete der schwere Angriff am 30. Mai 1944 für den Fortgang der Produktion nur einen geringen und kurzfristigen Ausfall. Aber der letzte Luftangriff auf das Junkerswerk in Halberstadt, welcher am 9. April 1945 statt fand, zerstörte die Flugzeugfabrik vollständig.  Kommen wir noch einmal kurz auf die eben genannte Dezentralisierung der Produktionsbereiche zurück. Schon ab Ende des Jahres 1943 wurden zahlreiche Tochterfirmen gegründet oder Teile der Produktion an kleinere Fabriken, welche eigentlich nichts mit der Flugzeugproduktion zu tun hatten, vergeben. Innerhalb des Jägerprogramms spricht man hierbei von "Jägerpilzen". Der Sinn und Zweck ist denkbar einfach: Man unterteilt ein großes Werk einfach in viele kleine Produktionsbetriebe, welche verteilt im Umland liegen und somit nicht mehr so stark den Luftangriffen der Alliierten ausgesetzt waren. Halt wie bei den Pilzen im Wald. Es gibt ein Myzel und unzählige Fruchtkörper an der Oberfläche. Einige denzentrale Montageanlagen verlegte die Junkers-Flugzeugwerke nach Brottewitz an der Elbe (Deckname Zellmehlwerke) und nach Kleinwangen auf das Gelände der Vereinigten Kaliwerke Salzdethfurth AG, Roßleben. In Brottewitz waren auf 4.500 qm bis zu 450 Arbeitskräfte und in Roßleben auf 5.100 qm über 600 Personen für den Halberstädter Flugzeugbauer tätig. Auf dem Gelände der Möbelfabrik Bell in Mühlberg an der Elbe, etwa 150 km von Halberstadt entfernt, fand die Abteilung Vormontage mit rund 30 Arbeitskräften Unterschlupf. Die Fertilia Chemische Werke AG aus Salzwedel nahm auf 6.000 qm mit 150 Mitarbeitern den Bereich Flächenumbau auf. Die Gebrüder Höppner aus dem Vogtländischen Plauen produzierten mit 225 Beschäftigten die Tragflächen-Unterhaut. Die Ziegelei Becher in Blankenburg/Harz nutzte Junkers Halberstadt unter Anderem als Lager. So, dieses war nur eine Auswahl der sogenannten "Jägerpilze" der Halberstädter Junkerswerke. Im Zentralwerk wurde weiterhin an der Endmontage der Flugzeuge gearbeitet. Zudem war auch noch der Vorrichtungsbau in Halberstadt verblieben.  Zumindest über Tage. Doch kommen wir nun endlich zur unterirdischen Rüstungsproduktion der Junkers-Werke in Halberstadt.


Luftschacht auf dem Berg


Beton im Wald


Ein Loch im Berg


Komisches Graffiti


Hauptzufahrt zur U-Verlagerung Makrele 1


Die Mauer


Mauerwerk und Felsen bei Halberstadt


Der Eingang in die ehemalige U-Verlagerung ist vermauert


Nach der Dezentralisierung des Junkers-Konzerns in Übertage-Verlagerungen wurde es ab Ende 1943 Zeit auch über mögliche unterirdische Verstecke nachzudenken. Um den Bombenangriffen der Alliierten zu entgehen, war die Verlagerung der Produktionsstätten nach unter Tage am geeignetesten. Für das Halberstädter Werk kamen zunächst zwei schon vorhandenen Stollenanlagen, beide in der Nähe gelegen, in Frage. Dieses waren die beiden Eiskeller "Felsenkeller" (Deckname Makrele 1) und "Sternwarte" (Deckname Makrele 2), welche beide etwas ausserhalb der Stadt Halberstadt lagen und mit einer bombensicheren Überdeckung von 15 - 30  Metern Sandstein für eine U-Verlagerung geeignet waren. Die "Sandsteinhöhlen" am Felsenkeller bestanden aus fünf kleineren Stollenanlagen, welche zwar nebeneinander lagen, aber nicht miteinander verbunden waren. Zwei Stollen hatte Nikolaus Mann gepachtet, er züchtete dort Champignons. Zwei weitere Stollen gehörten dem Proviantamt der Stadt Halberstadt, welche sie als Natur-Kühlschrank nutzte und darin Kartoffeln einlagerte.
Bereits im November 1943 legte der Junkers-Betrieb dem Reichsluftfahrtministerium einen Investitionsantrag vor, nachdem die Stollen am Felsenkeller zu Gunsten der Kriegwichtigen Produktionsstätte Junkers für deren Luftschutzzwecke umgebaut werden sollten. Der erste Deckname für die U-Verlagerung in Halberstadt war "Werk Klusberge". Unter Einbeziehung der schon vorhandenen Stollen sollte die Anlage bei Fertigstellung aus 14 Stollen, jeweils 50 – 100 Meter lang und fünf bis zehn Meter Breite, bestehen. Ein Mischung aus Stollenneubau und Eiskeller also. Als der Antrag später genehmigt wurde, erhielt die U-Verlagerung zunächst den Decknamen Granit, wurde dann allerdings vom RMfRuK noch einmal in "Makrele 1" geändert.
(Deckname Makrele – schon wieder ein Fischname für den Ausbau eines Felsenkellers. Kennen wir das nicht irgendwo her? Siehe auch U-Verlagerung Trusche in Wuppertal LINK)
Die Untertage-Verlagerung "Makrele 1" hatte die Baunummer 3, (Makrele 2 = Baunummer 4) und war somit eine der ersten unterirdischen Fabriken überhaupt. Das Jägerprogramm hatte allerdings auch oberste Priorität. Das erklärt auch, dass neben der hier vorgestellten U-Verlagerung Makrele 1 noch rund 100 weitere Untertage-Verlagerungen für die Firma Junkers Flugzeugbau vorgesehen waren. Für die (geplante) 5.000 Quadratmeter große unterirdische Produktionsstätte unter dem Klusberg errechnete die Firma Junkers vorab die Baukosten von rund 500.000 Reichsmark (RM), obwohl der Verlagerungsbescheid erst noch vom Reichministerium für Rüstung und Kriegswirtschaft (RMfRuK) geprüft und genehmigt werden musste. Am 17. Dezember 1943 nahm Professor Dahlgrün vom Reichsamt für Bodenforschung die Örtlichkeiten am Halberstädter Felsenkeller, in seinem Gefolge der spätere Bundespräsident Heinrich Lübke, der als Mitarbeiter des Architektur- und Ingenieurbüros Schlempp für die Organisation Todt tätig war, in Augenschein. Nach Beendigung der Untersuchung wurde noch am gleichen Tage der Verlagerungsbescheid genehmigt und der Champignon-Züchter Nikolaus Mann war gezwungen sich bald einen neuen Arbeitsplatz zu suchen. (Die vertragliche Grundlage, ein Nutzungsvertrag mit dem Champignon-Züchter, wurde allerdings erst Anfang 1945 rückwirkend für den Zeitraum seit dem 1. Februar 1944 geschaffen. Der Firma Mann wurde darin eine jährliche Entschädigung von 2,275 RM zugesichert. Dieses nur am Rande.) Der Umbau konnte also beginnen. Unter der Leitung der OT-Einsatzgruppe IV erhielt die Baufirma Grün & Bilfinger AG aus Düsseldorf den Auftrag die Stollen der U-Verlagerung "Makele 1" zu errichten. Baubeginn war gegen Ende Februar 1944. Zunächst wurde das Stollensystem mit 50 Arbeitern, überwiegend italienische Militärinternierte, erweitert. Neue Verbindungsstollen wurden aufgefahren und die vorhandenen Eiskeller vergrößert. Im standfesten Gebirge waren keinerlei Ausbauarbeiten erforderlich. Anfang Juni 1944 wurden die 50 italienischen Arbeitskräfte von der Bauleitung erst gegen 127 Holländer, kurz danach erneut gegen 145 Franzosen (Kriegsgefangene) ausgetauscht. Neben den Arbeitskräften der Baufirma Grün & Bilfinger, welche ausschließlich für den Stollenneubau eingesetzt wurden, waren auch ab Februar, also ab Beginn der Baustelle, 155 Deutsche und 81 ausländische Arbeitskräfte, welche alle zur Firma Junkers gehörten, auf der Baustelle "Makrele 1" beschäftigt. Unter den deutschen Arbeitern befanden sich auch einige Maurer, welche die Abmauerung einzelner Produktionsbereiche vornahmen und andere Arbeiter beaufsichtigten, damit die erste Abteilung, die Dreherei, zügig in die untertägige Produktionsstätte eingerichtet werden konnte. Die Bauarbeiten gingen zunächst gut voran. Einige Stollenbereiche wurden auf der Sohle betoniert. Ein unterirdisches Heizhaus mit drei Kesseln wurde installiert. Ebenso eine Belüftungsanlage zur Wetterhaltung mit verbunkerten Schachtkopf auf dem Berg wurde in die Untertage-Verlagerung eingebaut. Die Hälfte der unterirdischen Fabrik, also 2.500 qm Produktionsfläche, sollte Ende April ihren Betrieb aufnehmen, so der Plan des Jägerstabs. Dieses Vorhaben klappte auch fast. Gegen Ende Mai 1944 lief die unterirdische Produktion in der U-Verlagerung Makrele an. Die noch fehlenden 2,500 qm Produktionsfläche sollten bis Ende Juni 1944 bezugsfähig sein, doch dieses Vorhaben scheiterte. Die weiteren Bauarbeiten zum Ausbau der Stollen kamen nur sehr langsam voran.  Am 12. Januar 1945 meldete die Junkers-Hauptverwaltung Dessau dem Reichs-Luftfahrt-Ministerium (RLM), dass die Anlage "Makrele" in Halberstadt zwar in Produktion steht, aber der geplante Ausbau noch immer nicht erreicht wurde. Bis zum Jahreswechsel 1944/1945 hatte der Bau der U-Verlagerung Makrele 327.000 Reichsmark gekostet. Das Reich übernahm, wie bei fast allen anderen U-Verlagerungen auch, die Kosten. Gegen Ende Januar 1945 waren 180 Arbeiter in der unterirdischen Fabrik beschäftigt. In drei unterirdischen Hallen mit jeweils einer Produktionsfläche von 550 qm stellten sie Tragflächen und Rumpfzellen für die Flugzeuge Ju 88 und Ju 162 her. Die französischen Kriegsgefangenen arbeiteten im Zwei-Schicht-Betrieb für die Firma Junkers in Halberstadt. Insgesamt wurden 180 Pressen und andere Maschinen in die Untertage-Fabrik verlagert. Bei vollem Ausbau der Stollen sollten noch weitere 150 Produktionsmaschinen hinzu kommen, so dass bei Fertigstellung der U-Verlagerung Makrele 1 pro Schicht 600 Personen in der unterirdischen Fabrik beschäftigt wären. Doch bis zum Ende des Krieges wurde die Stollenanlage nicht mehr fertig gestellt, obwohl die Bauarbeiten stetig weiter gingen...


Durchgang zum Verbindungsstollen


Gesprengter Stollen


Trennmauer zwischen den einzelnen Produktionsbereichen


Halle in der U-Verlagerung Makrele


Sandsteinhöhle bei Halberstadt


Ein frisch gefegter Felsenkeller


Tippen Tappen Tönchen 2


Nach dem Einmarsch der Amerikaner in Halberstadt besichtigten sogenannte Spezialisten die U-Verlagerung Makrele 1 in den Sandsteinhöhlen, schenkten den Stollen jedoch keine besondere Bedeutung zu, da es sich hierbei um keine besondere Technologie handelte. Sie sahen daher keine Veranlassung, wie anderorts, den Maschinenbestand vor dem Einzug der Sowjets abzutransportieren. So wurden die Maschinen erst später als Demontagegut in die Sowjetunion geschafft, die Produktionsstätte von den russischen Besatzern vollständig geschleift. Die Stollenanlage am Felsenkeller wurden zudem noch teilweise gesprengt. Und das war es mit der U-Verlagerung Makrele 1.
Tja, und was gibt es heute noch zu sehen? Eigentlich nicht mehr viel. Als wir vor Ort waren, wurde schon damit begonnen, die Stollenmundlöcher zu verwahren. Halberstadt ist weit weg vom Bergischen Land und zum derzeitigen Zustand der U-Verlagerung Makrele 1 können wir deshalb nur Vermutungen äussern: Wenn dieser Bericht online geht, werden wahrscheinlich alle Eingänge dicht sein. Genaueres dazu können allerdings nur einheimische Historiker und Befahrer sagen. In diesem Sinne: Glück Auf!


Der Eingang kotzt Gerümpel


Untertage-Verlagerung der Junkers-Werke


Ein lachendes Gesicht?


Halberstadt unter Tage


Unterirdischer Produktionsbereich der Flugzeugfabrik


Eiskeller Makrele


Untertage-Bereich 7 (Grad)


Luftschutzstollen für Menschen und Maschinen


Die überaus leckeren Halberstädter Würstchen wurden von Eismann (Recherche und Text) und Svenska (Fotograf) gefuttert. Pommes dabei?

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